Med Mythen: Ist Sonnencreme giftig? Die Sonne als Universalmedizin aus der Himmelsapotheke – längst. Heute ist es für viele Bürger eher eine krebserregende Belästigung und ein UV-Schutz. Aber nicht alles, was gesagt wird, ist wahr. Die Wintersportsaison ist noch im Gange, die Osterferien stehen vor der Tür. In Zeiten von Klimawandel und Ozonloch ist Sonnenschutz auch im Februar ein Thema. DocCheck News klopfte an die Tür von Prof. Marc Alexander Radtke, dem Ärztlichen Direktor des Dermatologikum Hamburg. Gesucht: Die ganze Wahrheit über Sonne und Sonnenschutz. „Nur der Hauttyp ist entscheidend“ Die sogenannte Eigenschutzzeit ist ein wichtiger Parameter in Sachen Sonnenschutz. Sie beschreibt, wie lange sich ein Mensch in der Sonne aufhalten kann, ohne einen Sonnenbrand zu bekommen. Und er ist der Referenzwert für den Lichtschutzfaktor auf den Sonnenschutzprodukten. Ein Lichtschutzfaktor von 20 verlängert die Eigenschutzzeit um den Faktor 20. Die individuelle Eigenschutzzeit ohne UV-Schutz ist abhängig vom Hauttyp. Für sehr aufgeweckte Typ-I-Leute der Fitzpatrick-Klassifikation sind es weniger als zehn Minuten. Für Typ-III-Menschen, den „durchschnittlichen Mitteleuropäer“, sind es 20-30 Minuten. Und bei dunklerer Haut sind es 90 Minuten und mehr. Allerdings hört man oft, dass allein der Hauttyp für die Eigenschutzzeit entscheidend ist. Diese Verallgemeinerung ist laut Radtke falsch: „Zur Hauttypberatung gehören auch Vorerkrankungen, die sich auf die Eigenschutzzeit auswirken können, wie z. B. eine Sonnenallergie, Autoimmunerkrankungen, mit erhöhter Lichtempfindlichkeit einhergehen können, die Einnahme von lichtsensibilisierenden oder phototoxischen Medikamenten sowie Hautkrebs in der Vergangenheit oder häufig im engsten Familienkreis.“ Auch das Sonnenverhalten im Kindes- und Jugendalter hat einen Einfluss auf Selbstschutzzeit. Denn Sonnenschäden sind kumulativ: Viel Sonneneinstrahlung in jungen Jahren erhöht später das Risiko. „Doppelter Lichtschutz gleich doppelte Schutzzeit“ Rechnerisch ist das richtig, da der Lichtschutzfaktor mit der Eigenschutzzeit multipliziert wird. Allerdings gibt es hier einen Vorbehalt. Denn zum Beispiel Schwitzen, aber auch Baden und andere Faktoren verkürzen die Schutzzeit. Da dieser Effekt unabhängig vom Lichtschutzfaktor ist, funktioniert die einfache Gleichung „doppelter Sonnenschutz = doppelte Schutzzeit“ nicht. Dermatologen wie Radtke empfehlen, nur etwa die Hälfte der theoretisch errechneten Schutzzeiten verwenden und den Sonnenschutz einmal öfter als einmal zu wenig erneuern. „Sonnencreme verschlimmert Akne“ Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig in dieser Verallgemeinerung. Der Sonnenschutz sollte laut Radtke auf den individuellen Hauttyp abgestimmt sein: „Es sollte darauf geachtet werden, dass Produkte keine komedogenen Stoffe enthalten, auch Hautporen verstopfen und Verhornungsstörung negativ beeinflussen können.“ auf den ausdrücklichen Hinweis "nicht komedogen". Darüber hinaus gibt es Sonnenschutzmittel verschiedener Hersteller, die speziell für unreine Haut mit Neigung zu Akne entwickelt wurden. Auch Fruchtsäuren sind hier zu nennen. Diese Mittel peelen die Haut und machen sie dünner und noch zarter. Ein Sonnenbrand entwickelt sich dann viel schneller. Die Behandlung benötigt auch der Haut mehr Zeit zur Regeneration. Außerdem kann es bei manchen Mitteln in Kombination mit UV-Licht zu einer starken Pigmentierung kommen.“ Mit anderen Worten: Nicht der Sonnenschutz, sondern die Sonne selbst kann für Aknepatienten zum Problem werden. Freiwillige: Testen Sie das neue Flexikon! Entdecken Sie die eleganten Features unseres neuen medizinischen Lexikons bei einer Probefahrt. Jetzt prüfen „Tagescreme mit UV-Schutz reicht“ Das Thema UV-Schutz durch Tagescremes ist komplex. Gerade wenn es darum geht, Schutz vor Sonnenbrand und Schutz vor Hautalterung zu kombinieren, stoßen Tagescremes an ihre Grenzen. Der Schutz vor schleichender Hautalterung erfordert neben dem UVB-Schutz auch einen hohen UVA-Schutz, den viele Tagescremes nicht bieten, sagt Radtke: „Bei einem Lichtschutzfaktor von 30 mit UVA-Siegel können UV-Filter schon mal 20 % betragen. die Creme ausmachen, das ist viel und lässt weniger Raum für andere Wirkstoffe, die der Haut gut tun.“ Der Dermatologe empfiehlt daher, zusätzlichen Sonnenschutz „von O bis O“, also von Ostern bis Oktober, zu verwenden und nicht nur auf scheinbar schützende Tagescremes zu setzen. „Chemische Sonnencreme vergiftet den Körper“ Grundsätzlich wird zwischen Sonnenschutz mit chemischen und mineralischen Filtern unterschieden. Mineralische Filter werden eher in der Naturkosmetik verwendet und verwenden kleine Zink- oder Titandioxidpartikel, die das Sonnenlicht reflektieren. Sie gelten als weniger allergen, lassen sich aber oft weniger leicht auftragen oder hinterlassen einen weißen Film. Chemische Filter sind viel häufiger. „Das sind oft Derivate von Kampfer, Zimtsäure oder Salicylsäure“, sagt Radtke. „Diese Stoffe absorbieren energiereiche UV-Strahlen und wandeln sie in langwellige Wärmestrahlung um.“ Ein Nachteil ist, dass sie erst nach 20-30 Minuten wirken. Außerdem sind sie weniger sonnenstabil als mineralische Filter, weshalb sie bei sonst gleichen Bedingungen öfter nachgesprüht werden müssen. Generell seien mineralische Filter laut Radtke die bessere Option für Menschen mit chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, die mit einer gestörten Barrierefunktion einhergehen – allen voran Neurodermitis und Psoriasis. Duftstoffe, Emulgatoren und Konservierungsmittel sollten bei diesen Patienten vermieden werden. Produkte, die für empfindliche Haut entwickelt wurden, tragen oft den Zusatz „sensibel“. Eine gute Orientierung bietet auch das ECARF-Siegel: „Sonnenschutzmittel, die es tragen, dürfen nur Inhaltsstoffe enthalten, die in der verwendeten Konzentration kein allergisches Potenzial haben.“ Auf der anderen Seite gibt es einen Mythos, dass chemischer Sonnenschutz generell schädlich für den Körper oder die Natur ist. Hier kommt es darauf an, was verwendet wird. Einige chemische Filter stehen im Verdacht, wie Hormone zu wirken, weshalb einige Experten sie kritisch sehen, allen voran Octocrylen mit dem Abbauprodukt Benzophenon, Homosalat, Ethylhexylmethoxycinnamate und Benzophenon-3. Die Forschung dazu ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Auch die chemischen Filter Oxybenzon, Octocrylene und Octinoxat stehen im Verdacht, Korallenriffe zu schädigen. Unter anderem auf Hawaii sind Octinoxat und Oxybenzon inzwischen verboten. Im Derma-Channel HautDoor nehmen wir Hauterkrankungen unter die Lupe: Ob Allergien, Ekzeme oder Psoriasis – hier behalten Sie den Überblick. Folgen "Ich brauche Sonne für mein Vitamin D" Und noch ein Sonnenschutz-Mythos, der sich nicht ausrotten lässt. „Vom Schlechten zum Schlechteren“ – das ist das Argument derer, die Sonnenschutz ablehnen oder nur sparsam verwenden, weil sie sich Sorgen um die UV-lichtabhängige Vitamin-D-Synthese in ihrer Haut machen. Dies ist jedoch ein ziemlich zweifelhaftes Argument. Einerseits hat nicht jeder einen Vitamin-D-Mangel. Andererseits reicht vergleichsweise wenig Sonneneinstrahlung für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese in der Haut aus. Tatsächlich wurde das Thema unter Medizinern eine Zeit lang so heiß diskutiert, dass sich verschiedene Fachgesellschaften, koordiniert durch das Bundesamt für Strahlenschutz, zu einer gemeinsamen Stellungnahme veranlasst sahen. Demnach reicht es für die Vitamin-D-Bildung aus, Gesicht, Hände und Arme zwei- bis dreimal pro Woche ohne Sonnencreme unbedeckt der Sonne auszusetzen – nämlich Wissenschaft ist Wissenschaft, für die Hälfte der individuellen Selbstschutzzeit. Fragen? Bildnachweis: Jonathan Borba, Unsplash Gotopnews.com