Tiefseebergbau Folgen noch nicht absehbar Stand: 22.02.2023 06:25 Uhr Bis zum Sommer muss die Internationale Meeresbodenbehörde über den kommerziellen Tiefseebergbau entscheiden. Was Bergbau für die dortigen Ökosysteme bedeutet, ist noch relativ unbekannt. Von Yasmin Appelhans, NDR In manchen Meeresgebieten liegen Objekte der Begierde dicht beieinander auf dem Meeresboden: Manganknollen, die neben Mangan und Eisen, ihnen ihren Namen geben, viel Kupfer, Nickel und Kobalt enthalten. Dies sind Metalle, die an Land nicht sehr verbreitet sind, aber von großem wirtschaftlichem Interesse sind. Sie werden beispielsweise für Batterien in Elektroautos sowie in Solar- und Windkraftanlagen eingesetzt. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Energiewende. Meeresboden mit vielen Manganknollen. Sie enthalten neben Mangan auch Eisen, Kupfer, Nickel und Kobalt und damit wichtige Rohstoffe. Picture Alliance / ROV-Team, GEO Wie ein Panzer auf dem Meeresgrund Einige Unternehmen und Regierungen testen daher bereits Prototypen, die diese Manganknollen in Zukunft sammeln könnten. Das belgische Unternehmen Global Sea Mineral Resources hat beispielsweise ein solches Gerät entwickelt. Es wiegt fast 20 Tonnen, läuft auf Ketten und erzeugt mit einem Wasserstrahl einen Unterdruck, der die Manganknollen in das Gerät saugt. „Das ist größer als ein ‚Leopard 2‘-Panzer“, sagt Matthias Haeckel. „Die oberen Zentimeter des Meeresbodens werden mit dem Gerät komplett abgetragen – und später an anderer Stelle ins Meer entlassen.“ Diese Methode, die auch von anderen Unternehmen angewendet wird, hinterlässt deutliche Spuren auf dem Meeresboden, erklärt Meeresbiologin Sabine Gollner vom Königlichen Niederländischen Institut für Meeresforschung in Texel: „Nach dem Abbau sieht man ein umgepflügtes Feld.“ Sie sagt. Die Spuren der ersten Versuche in den 1970er und 1980er Jahren sind noch zu sehen. Folgen für Mikroorganismen und Tiere Alle Tiere und Mikroorganismen, die im Sand des Tiefseebodens leben, verschwinden mit dem Meeresboden in den Geräten. Neben den Manganknollen werden auch Korallen, Schwämme und Anemonen angesaugt, die sich auf der harten Oberfläche der Knollen ansiedeln. Dazu gehören Arten, die nur auf den Manganknollen der Tiefsee vorkommen, wie etwa ein Schwamm, auf dem sich der Geisterkrake niederlässt seine Eier. Schwamm auf einem Manganknollen. Auch Korallen siedeln sich auf Manganknollen an. Laut Matthias Haeckel könnte die Methode, mit der die Knollen gesammelt werden, dem Ökosystem daher sehr langfristige Schäden zufügen. Denn in der Tiefsee wachsen viele Tiere sehr langsam. Zum einen, weil dort, wo keine Pflanzen im Dunkeln wachsen können, nur sehr wenig Nahrung in die Tiefe gelangt. Zum anderen, weil der Stoffwechsel vieler Tiere bei Kälte sehr langsam ist. „Mit Modellen kann man versuchen zu berechnen, wie lange das Ökosystem braucht, um sich zu erholen – und dann sind es eher viele Jahrhunderte bis Jahrtausende als Jahre oder Jahrzehnte“, sagt der Biogeochemiker. Der Geisterkrake, der seine Eier auf Manganknollen im Schwamm legt. picture alliance / dpa Künstliche Knollen sollen Aufschluss geben Sabine Gollner möchte genau wissen, wie lange es dauern könnte, bis sich größere Tiere wieder ansiedeln, nachdem ein solches Gerät über den Meeresboden gefahren ist die Manganknollen eingesammelt hat, und ob die Anemonen, Schwämme Korallen auch auf anderen harten Oberflächen wachsen könnten Manganknollen jetzt erkunden. Dazu experimentiert sie mit künstlichen Manganknollen aus Keramik. Wie lange es dauert, bis die Tiere ihre volle Größe erreicht haben, ist noch unbekannt. „Sind die Anemonen, Korallen, Schwämme zum Beispiel fünf Jahre alt, 50 oder 500 Jahre alt? Das wissen wir im Moment nicht“, sagt sie. Künstliche und echte, gereinigte Manganknollen liegen in Rahmen auf dem Meeresboden. Seit 2019 liegen Rähmchen mit den künstlichen und gereinigten echten Knollen in 4.500 m Tiefe im Pazifischen Ozean. Sabine Gollner und ihr Team untersuchen derzeit im Labor, was genau an den Knollen gewachsen ist. Allerdings seien nach zweijährigem Wachstum kaum noch Tiere mit bloßem Auge zu sehen gewesen, berichtet sie. Das Experiment läuft insgesamt 30 Jahre. Ob Tiere wie Schwämme und Korallen genug Zeit haben, sich wieder auf den Knollen anzusiedeln, werden die nächsten Jahre zeigen. Unbekannte Ökologie Und sonst ist nicht viel über die Ökologie der Tiefsee bekannt. Um politische Entscheidungen über Wirtschaftsprojekte treffen zu können, die in die Natur eingreifen, sind in der Regel sogenannte Ökosystemmodelle notwendig. Dabei wird das gesamte Ökosystem betrachtet und die Folgen von Eingriffen simuliert. „Das gibt es für die Tiefsee noch nicht, weil wir den Gesamtzusammenhang des Ökosystems noch nicht verstanden haben“, sagt Matthias Haeckel vom GEOMAR. Bisher konnten Forscher noch nicht einmal die wichtigsten Arten dieses Systems identifizieren. Manganknollen gelten zusammen mit den Kobaltkrusten als die wichtigsten Quellen für Metalle und andere mineralische Rohstoffe im Meer. Picture Alliance / Maria Berentz Entscheidung bis zum Sommer Bei der Internationalen Meeresbodenbehörde in Jamaika laufen derweil die Verhandlungen über die Verteilung des Meeresbodens bereits auf Hochtouren. Sie ist verantwortlich für die Entscheidung, ob und wie die Knollen sowie andere metallreiche Gesteine ​​wie erloschene schwarze Raucher und Eisen-Mangan-Krusten auf submarinen Bergen in internationalen Gewässern kommerziell abgebaut werden können. Die Zeit drängt, denn der Inselstaat Nauru will mit dem Bergbau beginnen. Er habe im Sommer 2021 einen Antrag bei Behörde gestellt und damit eine sogenannte Zweijahresfrist ausgelöst, erklärt der Rechtswissenschaftler Alexander Proelß von Universität Hamburg. "Das bedeutet, dass bis zum Sommer dieses Jahres die Verwertungsregelungen tatsächlich vorliegen müssen." Kommt es bis dahin zu keiner Einigung, gilt das ausgehandelte Recht – mit unbekannten Folgen für die Tiere der Tiefsee. Deutschland mit Vorsichtspause März bei der Internationalen Meeresbodenbehörde fortgesetzt. Da Folgen des Bergbaus für die Tiefsee noch weitgehend unbekannt sind, hat Bundesregierung im vergangenen November beschlossen, Projekte des Tiefseebergbaus in internationalen Gewässern nicht mehr zu unterstützen. Bis mehr über die Tiefsee bekannt ist, setzt sie ihr Engagement aus. Gotopnews.com